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Der Architekt Erwin A. Gutkind

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Geboren wird Erwin Gutkind 1886 in Berlin. Über sein Leben, das Studium und die berufliche Tätigkeit in den Jahren bis 1925 gibt es nur wenige Informationen. Seinem Geburtsjahrgang zufolge müsste Gutkind 1904/ 1905 seinen Militärdienst abgeleistet haben, wenn er nicht aufgrund seines Studiums freigestellt worden war. Am 5. Oktober 1905 schrieb er sich an der Technischen Hochschule in Charlottenburg bei Berlin ein (Matrikelnummer 17099). Er belegte die Fächer Architektur, Stadtplanung, Soziologie und Kunstgeschichte bei Heinrich Wölfling. Das Studium schloss er am 17. Dezember 1909 mit einer Diplomprüfung erfolgreich ab. Im Anschluss daran arbeitete er an seiner Dissertation „Raum und Materie, ein Baugeschichtlicher Darstellungsversuch der Raumentwicklung“, die er am 30. Januar 1913 seinen Professoren Klingholz und Schulz vorlegte und die zu seiner Promotion am 12. März 1914 führte. 1915 veröffentlichte er seine Dissertation unter dem gleichen Titel.

In einschlägigen Biographien ist angegeben, dass Gutkind im Anschluss daran die Beamtenlaufbahn eingeschlagen hatte, ohne dass Weiteres bekannt ist. Belegen lässt sich, dass Gutkind seit dem 1. Juli 1917 als Angestellter – nicht als Beamter! – im Kriegsministerium angestellt war. In der zweiten Jahreshälfte 1917 richtete er gemeinsam mit dem Architekten Albert Gessener in mehreren Lazaretten in Berlin kunstgewerbliche Werkstätten ein und erfüllte auf diese Weise seine „patriotische Pflicht“. Das Kriegsministerium wurde durch die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg Ende 1918 aufgelöst und ging in das Reichsministerium für die wirtschaftliche Demobilisierung auf. Das Referat III f in dem Gutkind beschäftigt war trat komplett in das neue Demobilisierungsministerium über. Mindestens ab April 1919 wurde Gutkind als Vertreter des Demobilisierungsministerium als Planungsberater für den Wiederaufbau in der Waffenstillstandskommission delegiert.

Gutkind in Künstlerkreisen
Trotz seines distanzierten Charakters stand Gutkind den entscheidenden Architekturströmungen der Avantgarde jener Zeit nahe. Seine Kontakte zu Kandinsky, Luckhardt, Gropius, Scharoun, Häring, Bruno Taut u. a. sind durch Briefe und Veröffentlichungen belegt. So stand er auch dem „Arbeitsrat für Kunst“ und der „Novembergruppe“ nahe, die durch ihr Schaffen international die Grundlage für die klassische Moderne schufen, und unterstützte deren Ziele. Aber, auch wenn er den Gruppierungen nahe stand, so war er doch nie deren Mitglied. Das verbot ihm wohl sein Charakterzug als eigenwilliger einzelgängerischer Außenseiter. Auch stellte er bald für sich fest, dass die allzu theoretischen Ziele dieser Gruppen seiner praktischen, pragmatischen Herangehensweise zur Lösung des Wohnungsproblems nicht entsprachen. Zugleich stand seine Nähe zu den radikalen Künstlerkreisen in konträrem Gegensatz zu seinem dem konservativen preußischen Beamtentum verpflichteten Dienstverhältnis.

Fazit
Wie aus seinem Verhältnis zu Behörden im Allgemeinen zu entnehmen ist, wird Gutkind sich dort nicht sehr wohl gefühlt haben. Dazu war er zu sehr Außenseiter und Querdenker. Als solches haben ihn auch seine Biographen gesehen. Seine Tätigkeit als Angestellter im öffentlichen Dienst hatte wenig mit dem zu tun, wofür später sein Renommee als Architekt, Stadtplaner und Architekturhistoriker stehen sollte. Vielmehr wurde er, nachdem der Krieg zu Ende war innerhalb der Verwaltung herumgereicht und lediglich mehrfach befristet weiterbeschäftigt. Im Gegensatz dazu hatte man doch so viel Zutrauen in seine Fachkompetenz, dass man ihn ständig als Behördenvertreter oder Sachverständigen in Ausschüsse und Kommissionen delegierte. Vielleicht ist es diesen Umständen geschuldet, dass er sich bereits 1919 ein Atelier am Hundekehlenstraße 29 in Berlin Dahlem mietete um dort seine ersten Entwürfe auszuarbeiten. (Berliner Adressbuch, 1919 ff). Somit gab er keine aussichtsreiche Karriere im hochrangigen Regierungsdienst auf, um sich ganz dem Leben eines freischaffenden Architekten zu widmen. Vielmehr gab es im öffentlichen Dienst keine Verwendung mehr für einen Mann wie ihn und so kehrte er folgerichtig zu seinen Wurzeln zurück. Wenn man seine publizistische Tätigkeit und seine Kontakte zu den führenden Künstlerkreisen jener Jahre in Betracht zieht, so hatte er seine Wurzeln tatsächlich nie verlassen. Da es weder einen Hinweis für seinen Militärdienst vor dem Ersten Weltkrieg noch für einen Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg gibt, kann auch spekuliert werden, dass er sich um eine Stelle im Kriegsministerium bemühte, um nicht an die Front zu müssen. Was umso leichter für ihn war, als dass er ohne militärische Ausbildung aber mit einem hohen Bildungsabschluss gewinnbringender in der Verwaltung als an der Front einsetzbar war.

Auszüge aus der Massenarbeit von Lutz Oberländer

Siedlung Neu-Jerusalem – eine Flachbausiedlung in Staaken und ihre Architekten